Der Deutsche Pflegerat (DPR), nach eigener Aussage die führende Interessenvertretung der beruflichen Pfleger in Deutschland, wirft der Bundesregierung vier Monate vor den Wahlen Versäumnisse beim Kampf gegen den Pflegenotstand vor. „Der Pflegenotstand ist existent und kein Problem der Zukunft“, erklärte DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus am Dienstag in Berlin anlässlich des Starts der Kampagne „Ich will Pflege“. So sei es in den fast vier Jahren der zu Ende gehenden Wahlperiode nicht gelungen, die Ausbildung von Pflegekräften zu reformieren. In seinen „Wahlprüfsteinen“ fordert der DPR an erster Stelle eine Zusammenlegung der drei Pflegeberufe zu einem neuen generalistischen Beruf. Zwar hat etwa die FDP diese Forderung in ihr Wahlprogramm aufgenommen, jedoch gelang es Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und deren Vorgängerin Annette Schavan (CDU) in den vergangenen Jahren nicht, dies umzusetzen.
Zum Kampagnenstart verteidigte der CDU-Bundestagsabgeordnete Rolf Koschorrek die Regierung in dieser Frage und verwies auf die geteilte Verantwortung zwischen mehreren Ministerien in der Bundesregierung sowie vor allem zwischen Bund und Ländern. Koschorrek gestand aber zu: „In der Pflege haben wir definitiv ein erhebliches Nachholpotenzial.“ Der Personalmangel könne auch nicht einfach durch Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland beseitigt werden. Zum einen sei zum Beispiel in keinem europäischen Land ein echter Überschuss an Pflegekräften vorhanden, zum anderen stellten gerade in der Pflege Sprachbarrieren bei ausländischen Arbeitskräften eine große Hürde dar, die nicht einfach zu überwinden sei.
Auch DPR-Präsident Westerfellhaus forderte, vor allem auf mehr Ausbildung in Deutschland zu setzen. Dabei seien aber auch die Gesetzlichen Krankenkassen in der Pflicht. Sie hätten die Verantwortung dafür, dass in den Krankenhäusern rasch neue Ausbildungsplätze geschaffen werden könnten, um zum Beispiel dem diesjährigen doppelten Abiturjahrgang mehr Möglichkeiten für eine Berufsausbildung in der Pflege anbieten zu können.
Brisanz beim Thema Fachkräftemangel liegt aber vor allem im Bereich der Betreuung Pflegebedürftiger, und weniger im Bereich der Krankenhäuser. Dies sagte Professor Fritz Beske. Zwar gebe es in den Krankenhäusern derzeit einen akuten Mangel an Pflegern. Der Bedarf in diesem Bereich werde aber künftig wohl eher nicht zunehmen. Anders in den Pflegeheimen sowie in der ambulanten Pflege: Hie sei die Situation „sehr viel dramatischer als die meisten glauben“. Bis zum Jahr 2060 werde die Zahl der pflegedürftigen Menschen in Deutschland auf 4,51 Millionen um 93 Prozent steigen, und damit werde sich der Bedarf an Pflegepersonal von derzeit 629.600 auf 1,4 Millionen mehr als verdoppeln.