Der von Bundesgesundheitsminister Bahr (FDP) eingesetzte Expertenbeirat hat seinen Bericht zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff abgeschlossen. Wie die Tageszeitung „taz“ und die Nachrichtenagentur dpa berichten, denen das 218 Seiten umfassende Schriftstück gestern vorlag, soll es noch im Juni an den Minister übergeben werden. Klare Aussagen fänden sich darin aber nur bedingt und vor allem in Sachen Finanzierung wage der Beirat sich nicht aus der Deckung. „Wir werden eine inhaltsleere Frechheit überreichen, ohne dass ersichtlich wird, was für die Pflegebedürftigen dabei herum kommt“, zitiert die „taz“ ein nicht namentlich benanntes Mitglied des Gremiums.
So würden in dem Bericht zwar verschiedene Modelle durchgerechnet, ausdrücklich aber keines davon empfohlen. Auch bleibe offen, welche Leistungen in welchem Umfang und anhand welcher Kriterien den einzelnen Pflegestufen zugeordnet sein sollen. Den Wechsel von bislang drei Stufen auf künftig fünf, wie ihn der noch von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingesetzte Vorgängerbeirat schon empfohlen und skizziert hatte, setzen die im März 2012 neu zusammen berufenen Experten aber voraus. In finanzieller Hinsicht stellt der Bericht lediglich fest, dass eine Vielzahl an Argumenten und empirischen Hinweisen dafür spreche, „dass der Gesamtaufwand für Pflege und Betreuung mit den Pflegegraden ansteigt.“ Das gelte für häusliche und stationäre Versorgung.
Konkret wird der Bericht laut „taz“ und dpa an anderer Stelle, wenn er etwa fordert, dass zusätzliche Leistungen künftig „eine gleichwertige und regelhafte ‚dritte Säule‘“ in der Pflegeversicherung ausmachen sollen. Zudem sollen Leistungen weiter nur dann übernommen werden, wenn davon ausgegangenen wird, dass der Patienten mindestens sechs Monate pflegebedürftig ist, und es soll keine Schlechterstellungen geben. Wer nach derzeitiger Gesetzeslage Leistungen bezieht, soll das auch künftig weiter tun.
Wenig optimistisch sind die Beiratsmitglieder, was die Umsetzung eines Pflegebedürftigkeitsbegriffes angeht. Selbst wenn eine entsprechende Reform verabschiedet würde, gingen sicher noch einmal 18 Monate ins Land, ehe die Neuregelungen in vollem Umfang griffen. Der Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung, Gernot Kiefer, hatte bereits vergangene Woche angekündigt, dass frühestens in der kommenden Legislaturperiode mit einer Umsetzung zu rechnen sei. „Die Funktion des Berichts ist, weitere inhaltliche Vorbereitungen zu treffen, damit die nächste Regierung zusätzliche Hinweise, Fakten und Empfehlungen hat, um den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff dann aber wirklich einzuführen“, sagte er der „taz“. Dass noch keine abschließende Lösung für Leistungsumfang und Verteilung gefunden werden konnte, liege daran, dass die Politik noch nicht entschieden habe, wie viel Geld sie bereitstellen wolle. „Erst wenn man das weiß, kann man eine Verteilung über die verschiedenen Pflegegrade machen“, so Kiefer.