Der Deutsche Pflegerat (DPR) hat erneut scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt. Diese sei mit der wiederholt angekündigten Pflegereform gescheitert. Angesichts der regelrechten Explosion von Demenzerkrankungen hätte die Politik dringend gegensteuern müssen, sagte DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Stattdessen würden die Vorschläge des von Bundesgesundheitsminister Bahr erneut einberufenen Expertenbeirats nun erst in der letzten Sitzungswoche des Bundestags in dieser Legislaturperiode vorgelegt. Das sei ein Offenbarungseid für die Koalition.
Den Expertenbeirat selbst nahm Westerfellhaus aber in Schutz. Die Mitglieder hätten gute Arbeit geleistet, „aber es bedarf politischer Entscheidungen.“ Der Abschlussbericht des Gremiums war kürzlich bekannt geworden, auch wenn er erst in den kommenden Wochen an Gesundheitsminister Bahr (FDP) übergeben werden soll. Wie Medien berichten, denen das Dokument zugespielt wurde, rechnen die Experten darin verschiedene Modelle und Szenarien einer Neuausrichtung im Vergütungs- und Leistungssystem der Pflegeversicherung durch, geben aber keine konkreten Empfehlungen ab. Auch die Kostenfrage ist demnach weiter ungeklärt, was nach Angaben von Mitgliedern des Beirats wie auch externen Kritikern der Weigerung der Koalition geschuldet ist, konkret zu benennen, wie viel die Reform kosten darf.
Bundesgesundheitsminister Bahr hatte den Pflegebeirat 2012 in neuer Besetzung zusammengerufen, um Detailfragen klären zu lassen. Zuvor hatte ein noch zu Zeiten der Großen Koalition eingesetzter Beirat 2009 bereits Vorschläge zur Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vorgelegt, die nach Ansicht vieler Kritiker längst hätten umgesetzt werden können. Die bessere Berücksichtigung der steigenden Zahl von Demenzkranken im Pflegesystem ist Kernstück der angedachten Reform. In einem ersten Schritt hatten Union und FDP zu Jahresbeginn bereits gewisse Verbesserungen durchgesetzt, allerdings nur für Demenzkranke, die im häuslichen Umfeld gepflegt werden. Ein Großteil der an Demenz erkrankten Menschen lebt aber in stationären Einrichtungen.
„Wir haben sehr gute Einrichtungen, aber es ist immens schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen“, sagte Westerfellhaus der dpa. „Es gibt auch Heime, in denen es passiert, dass Menschen in die Eingangshalle gefahren werden und abends wieder ins Zimmer – das ist deprimierend.“ Der DPR-Präsident forderte eine neue Form der gesellschaftlichen Debatte darüber, „was uns die Pflege älterer Menschen heute wert ist.“