Die Pläne von SPD und Grünen zur Einführung einer Bürgerversicherung stoßen unter Experten auf immer größere Kritik. „Man könnte schon rein rechtlich nicht einfach auf die Rücklagen der Privatversicherten zugreifen“, sagte Jochen Pimpertz, Leiter des Kompetenzfelds Öffentliche Haushalte und Soziale Sicherung beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln, auf Anfrage des Fachmagazins „GesundheitsWirtschaft“ (Erscheinungsdatum: 23. August).
Maximilian Gaßner, Präsident des Bundesversicherungsamtes (BVA), schreibt in einem Beitrag für die „Neue Zeitschrift für Sozialrecht“, aus dem „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) zitiert: „Das Entstehen einer Zwei-Klassen-Medizin ist bei Einführung einer Bürgerversicherung nicht zu verhindern.“ Auch die Vertreter des Konzepts der Bürgerversicherung würden sich bei einer sehr ernsthaften Erkrankung wohl lieber von Spezialisten in einer US-Privatklinik behandeln lassen „als von einem geschäftsplanmäßig zuständigen Arzt im Massenbetrieb des deutschen Einheitssystems“, argumentiert Gaßner demnach. Ärzte in Deutschland könnten aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ganz aussteigen und nur noch Selbstzahler behandeln.
Bereits am Montag hatte RWI-Experte Boris Augurzky die Pläne für eine Bürgerversicherung kritisiert (Bibliomed.de berichtete). „Statt Anreize zu schaffen, Gesundheitsleistungen effizient bereitzustellen“, zielten die Vorschläge zur Bürgerversicherung, nach denen alle Bundesbürger Mitglied in der GKV werden sollen, „vor allem auf die Einkommensumverteilung zwischen den Beitragszahlern ab“, argumentierte Augurzky.
SPD-Schattenminister Karl Lauterbach verteidigt in der „GesundheitsWirtschaft“ die SPD-Pläne. Lauterbach verweist auf ein Gutachten der Professoren Greß (Hochschule Fulda) und Bieback (Universität Hamburg), demzufolge „eine Bürgerversicherung verfassungskonform, umsetzbar und ökonomisch vernünftig“ sei (Bibliomed.de berichtete). Lauterbach: „Im Übrigen sieht das Konzept der SPD ohnehin vor, die Alterungsrückstellungen der privat Versicherten nur im verfassungsmäßig zulässigen Umfang einzubeziehen.“ Damit bewege sich die SPD mit ihrem Konzept auf sicherem juristischen Boden.