Ex-SPD-Chef Franz Müntefering hat sich in einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ mit deutlichen Worten gegen den laxen Umgang mit dem Thema Freitod in der öffentlichen Debatte ausgesprochen: Trotz Angst vor schwerer Krankheit, großen Schmerzen und Pflegebedürftigkeit dürfe Sterben „auf Knopfdruck“ keine Lösung sein. Der Politiker, der 2007 als Bundesminister und Vizekanzler zurückgetreten war, um seine krebskranke Frau zu pflegen, widerspricht damit einem vorangegangenem „Plädoyer für aktive Sterbehilfe“ des ehemaligen Intendanten des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Udo Reiter, der selbst seit dem Jahr 1966 querschnittsgelähmt ist .
Müntefering fragt, ob „die Protagonisten des süßen Todes die Trendsetter“ seien und schreibt: „Hier soll aus Angst vor dem unsicheren Leben ein sicheres Ende gesucht und der präventive Tod zur Mode der angeblich Lebensklügsten gemacht werden.“ Hinzu käme die mediale „Heroisierung der Selbsttötung“, wenn sich eine Person als Identifikationsmuster eigne. Statt der „gefährlichen Melodie“ aus „Perfektionssehnsucht vermischt mit Lebensüberdruss“ Raum zu geben, fordert Müntefering der Palliativmedizin mehr Vertrauen entgegenzubringen. Denn sie könne viel, ermögliche oft ein Leben ohne starke Schmerzen. Das sei eine „große Ermutigung“.
Zudem verweist der ehemalige SPD-Parteivorsitzende auf die Wichtigkeit der Hospizdienste, die die Sterbenden und deren Angehörige begleiten, wenn es keine Heilung mehr gibt. „Die Hospiz- und Palliativangebote haupt- und ehrenamtlich sind dann Hilfe und Trost für alle Beteiligten und Betroffenen.“ Es sei notwendig, „die triste, trostlose Einsamkeit allzu vieler zu beenden“. Ihnen müsse bis zum Ende Lebensmut und Liebe vermittelt werden. Denn die Mehrzahl derer, „die am Baum oder vor dem Zug enden“, litten nicht an Lebensübersättigung, „sondern eher an dieser Einsamkeit, an Verzweiflung und Angst.“ Es gehe darum, „zu helfen und sich helfen zu lassen“ und „nicht um die eleganteste Abschiedszeremonie“.