Bei der Modernisierung der professionellen Pflege hinkt Deutschland im europäischen Vergleich hinterher, sagte der Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip) Frank Weidner auf einer Pflegetagung in Berlin. Zudem sei der Fachkräftemangel in der Bundesrepublik besonders hoch und die öffentlichen Investitionen in die Pflege deutlich geringer als in den meisten west- und nordeuropäischen Staaten. Auch die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung seien vergleichsweise schlecht. Mit den vergangenen Pflegereformen habe „sich die berufliche Situation für die Pflege eher verschlechtert“, sagte Weidner.
Der dip-Chef bezweifelte zudem, dass die angekündigten Vorhaben der Bundesregierung genügen, um eine „echte Pflegewende“ zu bewirken. Pflegeeinrichtung benötigten etwa mehr als 4 Monate, „um eine frei gewordene Stelle wieder mit einer Fachkraft zu besetzen.“ In Klinken würden darüber hinaus immer mehr Ärzte und weniger Pflegekräfte beschäftigt. Hinzu komme die Abwanderung von Pflegenden in die Nachbarstaaten der Bundesrepublik und nach Skandinavien. „Im Ausland händeringend nach Fachkräften zu suchen, die hier in Deutschland arbeiten wollen, ist angesichts der hiesigen schwierigen Arbeitsbedingungen nicht nur paradox, sondern auch subtil diskriminierend“, so Weidner.
Ein Kernproblem der deutschen Pflegepolitik führt Weidner unter anderem darauf zurück, dass die Pflege nicht mehr in Zusammenhängen gesehen werde und man immer nach möglichst einfachen und preiswerten Lösungen suche. Probleme der Pflegeausbildung, der Arbeitsbedingungen oder der Versorgungsqualität würden isoliert voneinander betrachtet. In der Konsequenz griffen Lösungsansätze dann zu kurz, weil sie beispielsweise die fatalen Wechselwirkungen zwischen defizitären Rahmenbedingungen der Pflegearbeit, Fachkräftemangel und Pflegequalität nicht berücksichtigen würden.