Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) geht von einer deutlich höheren Zahl an nosokomialen Infektionen und dadurch verursachten Todesfällen aus als bisher von offizieller Seite verkündet: 900.000 nosokomiale Infektionen pro Jahr in deutschen Krankenhäusern und mindestens 30.000 Todesfälle. Beides belege, dass die Hygiene erheblich verbessert werden müsse, hieß es auf einer Pressekonferenz der Gesellschaft anlässlich ihres 12. Kongresses für Krankenhaushygiene.
Um die Situation zu verbessern, fordert die DGKH eine deutliche Personalverstärkung zum Beispiel auf Intensivstationen. Bei aseptischen Eingriffen sei die Infektionsrate Null anzustreben. Eine aktuelle Umfrage belege zudem deutliche Defizite bei der Krankenhausreinigung.
Die DGKH hatte die Umfrage 2013 unter 285 ihrer Mitglieder durchgeführt. Die Antworten kamen zu 80 Prozent aus Akutkrankenhäusern und in der Mehrheit von Hygienefachkräften. Demnach führten nur noch 21 Prozent der Kliniken die Reinigung mit eigenem Personal durch. An einigen Tagen werde überhaupt nicht mehr gereinigt. In fast allen Krankenhäusern werde am Sonntag nicht mehr regulär gereinigt. Insbesondere externe Dienstleister beschäftigten ständig wechselndes Personal, das oft schlecht eingearbeitet sei. Bei akutem Reinigungsbedarf in der Nacht dauere es teilweise länger als sechs Stunden, bis eine Reinigungskraft erscheine.
Die Ergebnisse bestätigen aus Sicht der DGKH die Erfahrungen, dass die Krankenhäuser in den letzten Jahren massiv bei der Reinigung gespart hätten. In der Konsequenz habe das Risiko, über Flächen eine Infektion zu erwerben, zugenommen.
Als Reaktion auf die Veröffentlichungen der DGKH forderte die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein Investitionsförderprogramm zur Infektionsprophylaxe, kritisierte aber auch die veröffentlichten Zahlen. „Es ist unverantwortlich gegenüber den Patienten und wenig hilfreich für die Krankenhäuser, nicht gesicherte Annahmen über Todesfallzahlen in die Welt zu setzen", erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Das Nationale Referenzzentrum gehe von jährlich 2.000 bis 4.500 möglichen Patienten aus, die an einer vermeidbaren nosokomialen Infektion versterben würden. Die Schätzspanne von über 100 Prozent mache deutlich, dass gesicherte Aussagen nicht möglich seien. Sicher sei dagegen, dass zwei Drittel aller Infektion überhaupt nicht vermieden werden könnten und, dass Deutschland im internationalen Vergleich relativ gut da stehe.
Baum wies darauf hin, dass die Krankenhäuser allein das Infektionsproblem nicht lösen könnten. Probleme lägen auch in baulichen Unzulänglichkeiten. Hier bräuchten die Krankenhäuser mehr Investitionsmittel für moderne Zimmer- und Sanitärausstattungen und für mehr Isolierräume. Für die Investitionsmittelbereitstellung seien die Bundesländer zuständig.
Dass in Baden-Württemberg bereits viel für die Krankenhaushygiene getan wurde, betonte der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Thomas Reumann. „Seit 2010 setzen sich alle Krankenhäuser im Südwesten in einem Qualitätssicherungsprojekt für eine Senkung der Infektionen mit Multiresistenten Erregern (MRSA) ein“, stellte Reumann heraus. So konnte die Anzahl der im Krankenhaus erworbenen Infektionen von 1.000 Fällen im zweiten Halbjahr 2010 auf 600 Fälle im zweiten Halbjahr 2012 gesenkt werden. „Ein Rückgang um 40 Prozent in nur zwei Jahren ist das Ergebnis des von der BWKG, den Krankenhäusern, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen und der Landesärztekammer getragenen Verfahrens“, betonte Reumann.