Der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen hat der Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog für tiefgreifende Strukturreformen in der Pflege vorgestellt. In dem gestern in Berlin an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe übergebenen Gesamtgutachten für die Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens bezeichnet der Rat insbesondere die pflegerische Langzeitversorgung als „stark gefährdet" und die bisherigen Maßnahmen der Regierung als „kleinteilig" und „zu begrenzt". Gerade ländliche Regionen befänden sich in einer „Abwärtsspirale", die nur durch eine gut finanzierte und lokal angepasste Versorgungsarchitektur aufzuhalten sei. Vorhandene Kapazitäten sollten daher ausgebaut und nach internationalem Vorbild in sogenannten Pflegezentren zusammengefasst werden.
Kurzfristig jedoch, das wird in dem Gutachten deutlich, müssten zwei Aufgaben gemeistert werden. Zum einen solle die von Experten bereits für die vorherige Bundesregierung ausgearbeitete Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes „unverzüglich" umgesetzt werden. Zum anderen müssten „erhebliche Investitionen in die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten und Weiterqualifizierung" erfolgen, um den derzeitigen Fachkräftemangel zumindest abzumildern. Der bisher erfolgte Ausbau reiche „schon heute nicht aus, um den Bedarf an Pflegenden zu decken". Es fehle vor allem an Pflegefachkräften mit akademischer Ausbildung.
Langfristig schlagen die Sachverständigen eine Pflegestrukturreform vor, die auf Seiten der Patienten durch Teilhabe, Automomieerhalt und Prävention gekennzeichnet ist und für die Pflegenden eine deutliche Aufwertung ihres Berufsstandes mit sich bringt. Die Experten machen deutlich, dass die Pflegestrukturen in ihrer jetzigen Form nicht ausreichen, um selbst den heutigen Bedarf zu decken. Die Debatte um Veränderungen müsse differenzierter geführt werden, als lediglich über Kapazitäten der Heimversorgung oder Einzelfallentscheidungen zu diskutieren. Nötig sei stattdessen die Schaffung regionaler Versorgungsarchitekturen, am Bedarf ausgerichtet und hochgradig ausdifferenziert. Neben der staatliche Seite sollten dabei auch bisher nicht für die Pflege in Betracht gezogene Gruppen einbezogen werden, etwa pflegende Kinder und Jugendliche.
Damit einher geht der Vorschlag der Gutachter, 30 Prozent der Kassenmittel zur Weiterentwicklung der Pflege künftig ausschließlich in die universitäre Pflegeforschung zu stecken, mit Schwerpunkten in der Versorgungsforschung und der Akademisierung der Pflegeausbildung. Vom angestrebten Grad der akademischen Durchdringung von 10 bis 20 Prozent, die der Wissenschaftsrat 2012 als Ziel benannt habe, sei die Pflege hierzulande noch weit entfernt.
Die Pflegeverbände äußerten sich gestern enthusiastisch zu dem Expertengutachten. "Der Sachverständigenrat weist erneut den Weg hin zu einer nachhaltigen Reform der Versorgung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit", sagt Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK). Der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, unterstützt die Vorschläge des Sachverständigenrats und sagte: „Der Pflegeberuf muss attraktiver werden. Das greift die vom Sachverständigenrat empfohlene Reform der Pflegeausbildung inklusive die empfohlene Akademisierung der Pflege auf."