Der Pflegeexperte Klaus Wingenfeld hat die "Skandalisierung" der Zustände in deutschen Pflegeheimen kritisiert. Einzelne Negativbeispiele aufzubauschen, löse die Probleme nicht, sondern verschlimmere die Lage eher. „Gut qualifizierte Fachkräfte wollen nicht in einem Bereich arbeiten, in dem sie permanent unter Verdacht stehen, schlecht zu pflegen oder ihre Aufgaben zu vernachlässigen", sagte Wingenfeld der „Stuttgarter Zeitung". So wanderten genau die Fachkräfte ab, die dringend gebraucht würden. Zudem entstehe bei Pflegebedürftigen und Angehörigen „eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit".
Wingenfeld, der Geschäftsführer des Instituts für Pflegewissenschaft der Universität Bielefeld ist, rief im Interview mit der Zeitung zu einer "nüchternen Auseinandersetzung" mit der Lebenswirklichkeit in Heimen auf. „Aber bitte nicht mit realitätsfernen Übertreibungen und skandalisierenden Überschriften." In diesem Zusammenhang kritisierte er das Gutachten, auf das sich der Sozialverband VdK mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht stützt. Dieses basiere zwar auch auf den Qualitätsberichten der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK), interpretiere diese aber nicht richtig. So werde in den Berichten etwa nicht deutlich zwischen tatsächlichen Qualitätsmängeln und Dokumentationsmängeln, also unvollständigen Aufzeichnungen, unterschieden. „So entstehen Schlagzeilen über angeblich massenhaft grauenhafte Zustände in der Pflege", sagte Wingenfeld. Das sich das Gutachten neben den MDK-Berichten auch auf Medienberichte beziehe, bezeichnete er als kurios. „Ich bin gespannt, was das Verfassungsgericht davon hält, dass jemand massive Kritik leistet, ohne es mit harten Fakten belegen zu können."
Der VdK hatte im April angekündigt, wegen der schlechten Zustände in deutschen Pflegeheimen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Er beruft sich dabei auf eine juristische Dissertation, die seit ihrem Erscheinen für einigen Wirbel gesorgt hat. Die Autorin argumentiert darin, dass die Pflegemängel in deutschen Heimen wissenschaftlich belegt seien und der Staat seiner Schutzpflicht gegenüber pflegebedürftigen Menschen somit nachweislich nicht nachkomme. Dieses Unterlassen könnten die Karlsruher Richter als verfassungswidrig erklären und den Gesetzgeber auffordern, für bessere Bedingungen in der stationären Pflege zu sorgen. Im Interview mit dem Pflegeportal Station24 verteidigte Moritz ihre These der menschenunwürdigen Bedingungen in deutschen Heimen: „Die Lebensbedingungen in der stationären Altenpflege habe ich in der Arbeit anhand von fünf repräsentativen Studien untersucht und belegt. Die Studien sind sowohl wissenschaftlich veranlasste als auch solche, die von öffentlichen Trägern durchgeführt wurden."