Der Bundesverband Rehabilitation (BDH) hat die Bundesregierung aufgefordert, endlich die Situation pflegender Angehöriger zu verbessern. Die Ergebnisse der vergangene Woche vorgestellten Studie zum Belastungsniveau von Menschen, die ihre Familienmitglieder pflegten, seien alarmierend. „Die hohe physische und psychische Belastung, die eine Pflege in den eigenen vier Wänden bedeuten kann, muss gesellschaftlich stärker anerkannt werden", sagte BDH-Chefin Ilse Müller gestern in Bonn. Sie erwarte flexiblere Arbeitszeitmodelle von der Wirtschaft, um die wirtschaftlichen Risiken von Pflegeleistungen aufzufangen und einen fairen Lastenausgleich.
Laut der im Auftrag der Techniker Krankenkasse durchgeführten Studie fühlen sich 60 Prozent der pflegenden Angehörigen stark belastet. Rund die Hälfte der Studienteilnehmer gab an, oft körperlich erschöpft zu sein, rund ein Drittel fühlte sich zwischen Pflegetätigkeit und Umgebung hin- und hergerissen. Zudem schätzten die Befragten die eigene Gesundheit weniger gut ein als die Gesamtheit der Deutschen das tut.
Aus Sicht des BDH braucht es einen Paradigmenwechsel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Die Pflege Angehöriger müsse gleichwertig neben die Erziehung des Nachwuchses treten. „Es braucht eine ernsthafte und ehrliche Debatte, immerhin entlasten die mehr als 1,3 Millionen pflegenden Angehörigen, die etwa 1,7 Millionen Menschen daheim versorgen, die Sozialkassen um einen Milliardenbetrag und stabilisieren so unser gesamtes Sozialsystem", sagte Müller. Initiativen wie das Familienpflegezeitgesetz von 2011 oder Selbstverpflichtungen der Wirtschaft seien angesichts der dramatischen Alterung der Gesellschaft und der steigenden Zahl von Menschen, die mit Pflegefragen konfrontiert seien, bloß „weiße Salbe", aber nicht zur Problemlösung geeignet.
Konkret rät der BDH zum flächendeckenden Ausbau der Pflegestützpunkte, unkomplizierteren Antragsverfahren und einer generellen Anhebung der Pflegesätze. Zudem seien ein Rechtsanspruch auf eine Familienpflegezeit und ein Anspruch auf Lohnersatzleistungen analog zu den Elternzeitregelungen wichtige politische Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Pflege.