Pflegevertreter haben gestern auf dem Hauptstadtkongress eindringlich vor dem sich zuspitzenden Pflegenotstand gewarnt. Die Personalsituation in deutschen Kliniken sei „katastrophal" und gefährde die Patientensicherheit. „Kamen 2011 zehn Patienten auf eine Pflegeperson, liegt das Betreuungsverhältnis heute schon bei 13 zu eins", sagte Hedwig Francois-Kettner, Wissenschaftliche Leiterin des Pflegekongresses.
Zum Vergleich: In den Niederlanden kommen auf eine Pflegeperson 4,8 Patienten, in der Schweiz 5,3 und in Norwegen 3,7. „Notwendige Pflegemaßnahmen können unter dem hohen Zeitdruck nicht mehr gewährleistet werden", warnte die ehemalige Pflegedirektorin der Charité. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten vermeidbare Infektionen und Komplikationen erleiden. Ähnlich eklatante Versorgungsengpässe seien auch in der ambulanten und stationären Altenpflege zu beobachten.
„Im Moment müssen die Pflegemitarbeiter die völlig unzureichenden Bedingungen durch persönlichen Einsatz kompensieren", sagte Irene Maier, Pflegedirektorin des Universitätsklinikums Essen. Diese Situation sei nicht länger vertretbar, weder für die Mitarbeiter noch für die Patienten. Die von der Regierung versprochenen 660 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren für zusätzliche Pflegestellen seien „noch nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein", so die erfahrene Pflegemanagerin. Sie bedeuteten weniger als zwei bis drei Pflegestellen pro Krankenhaus und Jahr.
In der Politik sei die Brisanz des Pflegemangels noch nicht angekommen, beklagte Peter Bechtel, Vorsitzender des Bundesverbandes Pflegemanagement. Dabei müsse das Thema eigentlich prioritär bei der Bundeskanzlerin angesiedelt sein. Er forderte zum Schulterschluss unter den Berufsverbänden der Pflege auf, aber auch mit anderen Berufsgruppen: „Wir müssen gemeinsam gegenüber der Politik auftreten, wir brauchen eine konzertierte Aktion."