Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) hinterfragt das DRG-System, hat Verfassungsbeschwerde gegen das Tarifeinheitsgesetz eingelegt und erwägt im Fall eines Scheiterns vor den Karlsruher Richtern die Aufnahme von Pflegefachkräften. Entsprechende Aussagen traf der MB-Vorsitzende Rudolf Henke, der auch für die CDU im Bundestag sitzt, am Freitagmorgen im Rahmen eines Pressegesprächs. Henkes Äußerungen zielten insbesondere auf eine bessere Personalsituation in den Kliniken. Die von der Großen Koalition initiierte Qualitätsoffensive sei nur denkbar als „Personaloffensive". Das betreffe sowohl die Pflege als auch die Ärzte. Henke sprach sich für eine Regelung analog zum Pflegestärkungsgesetz I aus, nach dem Krankenkassen es nicht als unwirtschaftlich bezeichnen dürfen, wenn Häuser Tariflöhne bezahlen. Die tariflichen Steigerungen müssten refinanziert werden.
Der Gewerkschaftsvorsitzende kritisierte, dass das DRG-System per se zu einer Arbeitsverdichtung führe. „Wir wollen keine Finanzierung mehr über ein hundertprozentiges DRG-System", stellte er klar. Henke sprach sich dafür aus, die Personalkosten aus den Fallpauschalen herauszunehmen und gesondert zu finanzieren. Dies gelte insbesondere für die Kosten der Weiterbildung. Er lobte verschiedene Ansätze aus den Koalitionsparteien, im Rahmen der Gesetzgebung zur Krankenhausreform den Kliniken mehr Geld zukommen zu lassen. So fordert die SPD eine Verdopplung des geplanten Pflegestellenförderprogramms. Die CDU ist bereit, „den Versorgungszuschlag zumindest teilweise zu erhalten", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mautz am Freitag bei der Debatte zum Krankenhausstärkungsgesetz im Bundesrat. Henke lobte diese Ansätze, selbst wenn diese zu steigenden Beitragssätzen in der Gesetzlichen Krankenversicherung führen würden.
Kritisch äußerte sich der MB-Chef über die geplanten qualitätsbezogenen Zu- und Abschläge auf die Krankenhausvergütung. „Pay for Perfomance ist überhaupt nicht vorbereitet", sagte Henke. „Der größte Feind von Herrn Veit ist die Ungeduld der Politik", sagte er mit Blick auf den Vorsitzenden des Instituts für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (IQTiG). Dieses soll nach dem Willen der Großen Koalition bis 2017 qualitätsbezogene Zu- und Abschläge für das DRG-System erarbeiten.
Auch zum Tarifeinheitsgesetz, dass diese Woche in Kraft trat, äußerte sich Henke. Seine Gewerkschaft habe am Freitagmorgen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde sowie einen Antrag auf einen einstweiligen Rechtsanspruch eingereicht. Dem Gesetz zufolge sollen künftig in Betrieben nur jene Tarifverträge gelten, die mit der größten Gewerkschaft abgeschlossen worden sind. Der MB ist sich sicher, dass dies gegen das verfassungsmäßige Recht auf Koalitionsfreiheit verstößt. Sollten die Karlsruher Richter das anders sehen, erwäge man die Aufnahme von Pflegekräften in den MB. „Wir wollen nicht in eine Situation kommen, in der wir durch ein ewiges Minderheitendasein abgeschaltet werden", sagte Henke. Doch das sei nur ein Plan B. Zwar gestand Henke zu, dass die Pflege besser organisiert sein müsse, sagte aber auch: „Wir wollen als Berufsverband erhalten bleiben. Deshalb klagen wir."