Bundestagsabgeordnete von CDU und SPD stellen den Grundsatz „ambulant vor stationär" bei Wachkomapatienten in Frage. Diese spielen Medienberichten zufolge in dem Betrugsskandal in der Pflege eine große Rolle. Der pflegepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Erwin Rüddel warnte am Montagnachmittag im Gespräch mit Station24 zwar vor gesetzgeberischen Schnellschüssen als Reaktion auf den Betrugsskandal, sprach sich aber bei Wachkomapatienten für eine Finanzierungsreform aus. In Pflegeheimen gebe es gute Strukturen zu deren Versorgung, insbesondere auch Kompetenzen für eine aktivierende Pflege. Der Nachteil: Patienten müssten im Durchschnitt 1.500 Euro zum Betrag von 5.000 bis 7.000 Euro zuzahlen, den die Pflegekassen für eine solche Versorgung bezahlt.
Anders bei ambulanten Diensten: Hier betrage die Zuzahlung zwar nur etwa 500 Euro, dafür müssten die Kassen Beträge von bis zu 22.000 Euro im Monat schultern. Besonders einkommensschwächere Familien hätten so einen Anreiz, ihre Angehörigen ambulant zu behandeln beziehungsweise versorgen zu lassen, obwohl die Gesamtkosten extrem hoch seien. Des Weiteren lade das System zu Missbrauch ein. So würden Wohngruppen gebildet, in denen die Patienten teilweise nicht adäquat versorgt würden und wo die Grenze zur stationären Einrichtung fließend sei.
Rüddel schlägt vor, dass die Krankenkassen ihre Zahlung an Pflegeheime um 1.000 Euro erhöhen sollten. Dann könnte die Zuzahlung auf 500 Euro sinken, es gäbe also keinen finanziellen Anreiz mehr, die ambulante Versorgung der stationären vorzuziehen.
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens zeigt Sympathie für Rüddels Ansatz. Am Dienstagvormittag teilte sie auf Anfrage von Station24 mit: „Wachkomapatienten benötigen eine Unterstützung rund um die Uhr. Ihre Pflege ist äußerst anspruchsvoll und erfordert selbst von Fachkräften eine ganz spezielle Qualifikation." Eine würdevolle Versorgung dieser Patienten könne nur bei einem stimmigen Gesamtsetting gelingen. Dieses sei im häuslichen Umfeld nur zu schaffen durch ein zuverlässiges Zusammenspiel von Angehörigen, qualifizierter Behandlungspflege durch Fachkräfte und Unterstützung durch Betreuungskräfte. „Ob das politische Ziel "ambulant vor stationär" für diese spezielle Pflegesituation sachgerecht ist, sollte deshalb kritisch reflektiert werden - nicht nur aus Kostengründen, sondern auch unter fachlich-qualitativen Gesichtspunkten", erklärte Baehrens.