Die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag, Elisabeth Scharfenberg, hat am Mittwochnachmittag heftig auf Äußerungen des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden zur Reform der Pflegeausbildung reagiert. „Wenn Karl Lauterbach sich jetzt hinstellt und meint, dass es in der SPD noch kein einheitliches Meinungsbild gebe, dann ist das eine glatte Lüge", heißt es in einer Pressemitteilung Scharfenbergs. „Es war das SPD-geführte Ministerium, das von Anfang an das Vorhaben betrieben hat. Die Verbändeanhörung in der Berliner Glinkastraße – Sitz des Familienministeriums – war eine Farce. Dort erhielten die Kritiker des Gesetzes ein Redeverbot. Dass jetzt der Bundesgesundheitsminister die Kohlen aus dem Feuer holen muss, wird er Frau Schwesig wohl noch übel nehmen – zu Recht!"
Seit der Anhörung zum Pflegeberufereformgesetz am vergangenen Montag gibt es zahlreiche Spekulationen, die Große Koalition werde von der geplanten generalistischen Ausbildung abrücken. Insbesondere in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion herrscht erhebliches Unbehagen, bisher schien es so, dass einzig die SPD geschlossen zum Reformvorschlag von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) steht. Auf Anfrage von Station24 hatte Lauterbachs Büro dies am Mittwoch noch bestätigt.
Berichte, dass Minister Gröhe selbst von der Generalistik abrücken werde, wies eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) am Mittwochnachmittag auf Anfrage von Station24 in der Bundespressekonferenz nochmals zurück. „Der Minister ist nach wie vor der Meinung, dass das Gesetz richtig ist", erklärte die Sprecherin. Ebenso dementierte sie die Meldung, dass Gröhe am heutigen Donnerstag bei einem gemeinsamen Treffen mit CDU-Parlamentariern einen neuen Vorschlag vorlegen werde. „Wir wissen nicht, was das für ein Termin sein soll", so die Sprecherin. Entgegen Berliner Gerüchten hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch nicht in den Streit zwischen Gröhe und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingeschaltet, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in der Bundespressekonferenz ebenfalls auf Anfrage von Station24 erklärte.
Trotzdem hoffen die Kritiker der Reform nun, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in ihrem Sinn verändert wird. Scharfenberg etwa fordert nun: „Die Pflegeausbildung muss reformiert und modernisiert werden. Wir schlagen vor, gemeinsame Ausbildungsinhalte zusammen zu lehren und innerhalb der Ausbildung eine Spezialisierung zuzulassen. Der jeweils andere Berufsabschluss kann durch eine Ausbildungsverlängerung erworben werden. Wir brauchen für eine gute pflegerische Versorgung wirklich spezialisierte Fachleute. Mit dem jetzigen Gesetzentwurf zur Pflegeberufsreform erweisen wir allen Pflegebedürftigen und auch den professionell Pflegenden einen Bärendienst."
Dagegen kämpft Pflegepräsident Andreas Westerfellhaus unerschüttert für die gemeinsame Pflegeausbildung. Sein Kernargument: „In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass in Krankenhäusern immer mehr alte und hochbetagte Patientinnen und Patienten mit multimorbiden Erkrankungen und zunehmenden Alterserkrankungen wie Demenz versorgt werden müssen. Gleichzeitig nimmt in der stationären Altenpflege die Anzahl der Pflegebedürftigen zu, die eine medizinisch orientierte Versorgung benötigen. Deshalb macht es keinen Sinn, bei den Versorgungssystemen zwischen alten und jungen Patientinnen und Patienten beziehungsweise Pflegebedürftigen zu unterscheiden."