Bayerns Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat vorgeschlagen, Langzeitarbeitslose für soziale Dienste zu verpflichten. Das geht aus einem Gespräch mit dem Nachrichtensender "Welt" in der Vorwoche hervor. Sie könnten z. B. in Altenheimen eingesetzt werden. Deutschland befinde sich "mitten in einem Pflegenotstand, jede helfende Hand ist dort dringend gebraucht", so Aiwanger. Pflegefachpersonen müssten mitunter die Küche putzen, arbeitslose Menschen wiederum würden gern arbeiten und säßen zu Hause. Schlügen Arbeitslose die Dienstverpflichtungen aus, könnte ihnen Hartz IV um 30 % gekürzt werden.
Kabinettskollege Holetschek distanziert sich
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte seinen Kabinettskollegen scharf. Pflege brauche qualifiziertes Fachpersonal. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte er, Aiwangers Vorschlag zeuge von "völliger Unkenntnis der Situation in der Pflege und einem völligen Fehlverständnis des Pflegeberufs".
"Unser Ziel ist es, die Pflege zu professionalisieren und den Beruf aufzuwerten."
Wer in der Pflege mit alten und hilfebedürftigen Menschen arbeite, müsse gut ausgebildet sein und dies freiwillig machen, "sonst geht der Schuss nach hinten los".
Vielmehr seien die Pflegeausbildung weiter zu stärken sowie Arbeitsbedingungen und Gehälter zu verbessern.
DPR weist Vorschlang entschieden zurück
Auch der Deutsche Pflegerat (DPR) lehnte Aiwangers Vorsachlag entschieden ab. DPR-Vize-Präsidentin Irene Maier sagte am Montag:
"Solche abwegigen Vorschläge hatten wir schon häufiger."
In der Vergangenheit seien für die Pflegearbeit bereits "Schlecker-Frauen" oder Personen vorgeschlagen worden, die Sozialstunden abzuleisten hätten. Diese Vorstöße seien allerdings Ausdruck einer mangelnden politischen Einstellung zur Profession Pflege.
"Pflege kann nicht jeder. Es ist eine professionelle Tätigkeit, für die man geeignet und entsprechend ausgebildet sein muss."
Grundsätzlich müsse es Krankenhäusern und Pflegeunternehmen gelingen, fähige Personen zu gewinnen und gut auszubilden.
"Anstatt eine Deprofessionalisierung des Berufes zu wollen und ein Lohndumping herbeizuführen, sollten gute Arbeitsbedingungen mit einer besseren Personalausstattung, einer guten Ausbildung und Bindung im Betrieb im Mittelpunkt jeder Diskussion um die Pflege stehen."
Bekenntnis zur Selbstverwaltung für beruflich Pflegende
Aiwanger beweise mit seiner Äußerung, dass die Freien Wähler für eine inhaltliche Diskussion zum Thema Pflege nicht geeignet seien und sich dafür disqualifiziert hätten, urteilte auch die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB). Für die beruflich Pflegenden im Land könnten sie kein adäquater politischer Ansprechpartner mehr sein.
Um die Probleme in der Profession Pflege zu lösen, bedürfe es "neuer und mutiger Veränderungen, um einem Pflegekollaps noch zu verhindern". Neben attraktiven Arbeitsbedingungen gründet dies für die VdPB v. a. in der Übertragung von mehr Verantwortung, der Schaffung neuer Aufgabenfelder und einem klaren Bekenntnis zur Selbstverwaltung für beruflich Pflegende.
Westerfellhaus: Aiwanger versteht Profession Pflege nicht
Auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, äußerte sich am Mittwoch "empört" über Aiwanger. Wer solche Aussagen tätige, habe die Profession Pflege nicht verstanden.
"Pflege ist eine Profession. Die Pflegekräfte haben eine hohe Fachkompetenz, sie sichern den pflegerischen Versorgungsprozess – immer mit einem ganzheitlichen Blick auf den pflege- und hilfsbedürftigen Menschen. (...) Es ist demütigend, für alle Pflegekräfte und für alle die sich für die Pflege einsetzen, zu behaupten, dass jeder ohne erlernte Kenntnisse den Pflegeberuf ausüben kann!"