Inwiefern die Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 insbesondere in Alten- und Pflegeheimen tatsächlich zielführend sind, ist nicht wissenschaftlich belegt. Die Evidenz der Maßnahmen sei weiterhin mangelhaft, heißt es in einer aktuellen Kolumne des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin (EbM). Die Effekte der gewählten Maßnahmen müssten wissenschaftlich abgesichert werden, schreibt u. a. Gabriele Meyer vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Auftrag des EbM in der Kolumne.
Seit April weist das EbM auf die Bedeutung von Studien hin
Die sehr früh im Pandemiegeschehen formulierten Forderungen aus der Wissenschaft nach einer soliden klinisch-epidemiologischen Datenbasis mit zielgerichtetem Testen, systematischer Dokumentation, Aufbau eines Registers und Erforschung von Versorgungsmodellen, Einrichtung einer Task-Force für das koordinierte Handeln im Umgang mit dem Setting Pflegeheim seien bislang hierzulande nicht umgesetzt.
Dabei seien prospektiv kontrollierte Studien, auch randomisiert kontrollierte Studien, nötig, um Sicherheit zu geben, wie die besonders gefährdete Population älterer und pflegebedürftiger Menschen mit gezielten Maßnahmen geschützt werden könne.
Aussetzen der Dokumentation gefährdet Bewohnerinnen und Bewohner
Z. B. hätte es sich angeboten, in randomisierten kontrollierten Studien Pflegeheime, die chirurgische Masken für Personal, Besucherinnen und Besucher nutzen, mit Einrichtungen zu vergleichen, in denen FFP2-Masken eingesetzt werden. Damit hätten aussagekräftige Ergebnisparameter untersucht werden können – wie die Häufigkeit von COVID-19-Erkrankungen und assoziierten Todesfällen.
Zudem seien die Qualitätsprüfungen des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung weitgehend ausgesetzt und Dokumentationspflichten gelockert worden. Damit sei "ein gefährliches Vakuum entstanden, in dem nicht einmal Angehörige und Besucher eine soziale Kontrolle wahrnehmen" könnten.
Die Möglichkeiten für einen nachhaltigen und sozial verträglichen Schutz von vulnerablen Personen in der bisherigen Strategie der Pandemiebekämpfung seien "bei weitem nicht ausgeschöpft und müssen dringend in den Vordergrund rücken, um die soziale 'Tragödie' der Pflegeheimbewohner nicht weiter willfährig zu tolerieren", betont das Autorenteam der Kolumne.