Die Ethikkommission der Pflegekammer Niedersachsen hat Empfehlungen für die stationäre Altenpflege während der COVID-19-Pandemie veröffentlicht. Auf 28 Seiten finden Einrichtungsleitungen und Pflegende anhand exemplarischer Situationen konkrete Hilfestellungen für die pflegerische Praxis.
Das moralische Dilemma in Pflegeeinrichtungen bestehe im Konflikt, zwischen dem Ziel, zu selbstbestimmter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verhelfen, und dem Schutz der Bewohnerinnen, Bewohner und Mitarbeitenden einer Pflegeeinrichtung vor der Ausbreitung der COVID‐19‐Infektion in der Einrichtung abwägen zu müssen, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Leitfaden.
Das Dilemma der Profession Pflege
Die Ethikkommission geht z. B. davon aus, dass eine vollständige Isolierung der Bewohnerinnen und Bewohner nur im Ausnahmefall und nur vorübergehend zu rechtfertigen sei. Ansonsten stelle diese Maßnahme einen zu weitreichenden Eingriff in die Freiheitsrechte dar. Außerdem widerspreche dies dem Verständnis von Pflege, das darauf ausgerichtet sei, Beziehungen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Als realistisches und moralisch erstrebenswertes Ziel bleibe deshalb angesichts der Gefährdung durch die Pandemie nur, über beschränkte physische Kontakte das Infektionsrisiko zu reduzieren. Dort, wo es zu Kontakten komme, müsse konsequent auf die Einhaltung von Hygieneregeln geachtet und an einem strikten Testregime festgehalten werden.
Striktes Testregime wichtig
Um die allgemeine, abstrakte Gefahr eines Infektionsgeschehens in Altenpflegeeinrichtungen auf ein Minimum zu reduzieren, empfiehlt die Kommission:
- Verweigert eine Pflegefachperson trotz guten Zuspruchs und ggf. arbeitsrechtlicher Weisung eine Testung, sind neben arbeitsrechtlichen Sanktionen auch der Einsatz unter verstärkten Sicherheitsbedingungen denkbar.
- Verweigert eine Bewohnerin oder ein Bewohner eine regelmäßige Testung, sind sie oder er spätestens bei einer positiven Testung in der Einrichtung wie ein Verdachtsfall mit verstärkter Isolation zu behandeln.
- Verweigert eine Besucherin oder ein Besucher eine Testung, scheint ein befristetes Betretungsverbot angemessen, da die Person die Wahl hat, über eine Testung die Einrichtung betreten zu dürfen.
Die Orientierungshilfe thematisiert außerdem:
- die besondere Situation von Menschen mit Demenz
- Sterbebegleitung und palliative Versorgung.
Selbstwertgefühl von Pflegenden stärken
Pflegende seien derzeit über die eigenen Belastungsgrenzen hinaus gefordert. Beständige psychosoziale Begleitung und Betreuung seien deshalb wichtig. Dies auch, um im Sinn der Resilienzbildung Pflegende in ihrer fachlichen Kompetenz zu bestätigen und in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken.