Pflegeschüler, angehende Physiotherapeuten und Medizinstudenten trainieren die Zusammenarbeit im klinischen Alltag am Beispiel der Frührehabilitation nach einem Schlaganfall. Das interprofessionelle Lehrprojekt des Universitätsklinikums Jena und der Staatlichen Berufsbildenden Schule für Gesundheit und Soziales Jena wird von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert.
„Das war gut ausgeführt", so der Kommentar von Anne Roczen zum gerade gesehenen Film. Das Lob der angehenden Physiotherapeutin gilt ihren derzeitigen Mitschülern, Medizinstudenten im Praktischen Jahr und Krankenpflegeschülern, die Patienten darstellen und sie beim Aufrichten im Bett unterstützen sollen – beobachtet von der Videokamera. Dieser Perspektivwechsel ist Bestandteil eines zweitägigen Kurses, der die Teilnehmer an die Kommunikation zwischen Ärzten, Pflege und Physiotherapeuten und die Zusammenarbeit der Berufsgruppen im klinischen Alltag heranführt.
Das Seminar wählt als typisches Beispiel für diese Zusammenarbeit die Frührehabilitation von Schlaganfallpatienten. Noch auf der Schlaganfallstation beginnen aktivierende Pflege, Krankengymnastik und weitere Therapien zur Vermeidung von Langzeitfolgen. „Jede einzelne Disziplin trägt für sich zur Genesung bei. Die optimale Versorgung des Patienten, individuell an seine Ressourcen angepasst, erfordert das reibungslose kollegiale Miteinander", beschreibt die Projektleiterin Prof. Dr. Uta Dahmen den Hintergrund für das Lehrprojekt, das von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wird. Neben der Chirurgin waren an der Ausarbeitung der Lehrveranstaltung entsprechend viele Disziplinen des Universitätsklinikums und der Staatlichen Berufsbildenden Schule für Gesundheit und Soziales Jena beteiligt wie Physiotherapeuten, Pflegeausbilder und Kommunikationsexperten.
Kommunikation ist ein zentraler Punkt
Eine gute Zusammenarbeit und eine gute Kommunikation im Team stehen im Fokus des interprofessionellen Fortbildungsangebots. Bislang gibt es in Deutschland eine eher geringe Anzahl von Anbietern und Angeboten, sodass viele Angehörige der unterschiedlichen Gesundheitsberufe keinen Zugang zu solchen Angeboten haben. An dieser Stelle setzt nun das Förderprogramm „Operation Team – Interprofessionelle Fortbildungen in den Gesundheitsberufen" der Robert-Bosch-Stiftung an. Für zunächst zwei Jahre fördert die Stiftung das Projekt mit rund 90.000 Euro, verrät Dahmen.
Kommunikation ist ein zentraler Punkt des Lehrprojekts. Die Kursteilnehmer üben diese zum Beispiel in einer gestellten Patientenübergabe: Welche Informationen muss der Arzt dem Physiotherapeuten mitgeben, was muss die Krankenschwester wissen und eventuell erfragen? „Das Projekt ermöglicht uns, diesen interprofessionellen Dialog schon in die Ausbildung aufzunehmen", betont Andrea Veit, die Direktorin der Berufsschule. „Trotz vieler Praxisanteile kommen die Schüler nur wenig mit anderen Professionen in Berührung, im Berufsleben muss der Dialog aber klappen."
Ob und wie das Miteinander in den Kursübungen klappt, können die Teilnehmer unmittelbar nach der Übung im Film sehen und diskutieren. Dahmen: „Diese videobasierte Selbstkontrolle ist ein wesentliches Element des Seminars. Damit lassen sich sowohl reine Handlungsabläufe wie zum Beispiel das Aufrichten im Bett, als auch die Kommunikation und Interaktion der Übungsteilnehmer objektiv beurteilen." Für die Auszubildenden und Studenten zunächst ungewohnt, aber sehr einprägsam.
Dauerhafte Implementierung angestrebt
Insgesamt ist das Fazit der Seminarteilnehmer ein sehr positives. Als angehender Krankenpfleger findet Christian Göttermann es gut, künftige Kollegen schon in der Ausbildung kennenzulernen. Das erleichtere die Zusammenarbeit im hierarchisch geprägten Klinikalltag. Für die Medizinstudentin Anita Vestergaard war schon die Kennenlernrunde eindrucksvoll, die ein teilweise unvollständiges Bild von den Tätigkeiten der jeweils anderen Berufe offenbarte.
In Klausurergebnissen wird sich der Erfolg des Seminars kaum messen lassen, letztendlich aber zur besseren Versorgung der Patienten beitragen, sind sich die Projektverantwortlichen sicher. Deshalb werden die Erfahrungen des Seminars in die Ausgestaltung des Jenaer neigungsorientierten Medizinstudiums JeNOS einfließen. „Insbesondere für die Linie ‚Klinik-orientierte Medizin‘ wollen wir das Angebot interprofessionellen Lernens erweitern", so Prof. Dr. Ulrich Smolenksi, Leiter des Instituts für Physiotherapie am Jenaer Uniklinikum. „Denn gerade in den meist spezialisierten klinischen Einrichtungen kommt es auf das reibungslose Miteinander der beteiligten Berufsgruppen an."
Wie es nächstes Jahr nach Ende der Förderungszeit weiter gehen wird, ist noch unklar. Das Institut für Physiotherapie des Uniklinikums werde aber voraussichtlich die weitere Koordination der interdisziplinären Lehrveranstaltung übernehmen, sagte Dahmen. Das erfordere die organisatorisch aufwendige genaue zeitliche Abstimmung der Unterrichtspläne der beteiligten Berufsgruppen sowie die Übernahme der Finanzierung aus dem knappen Lehrbudget der beteiligten Einrichtungen.